Spärlichen Presseinformationen zu Folge ergibt sich in etwa folgendes Bild:
Über Wochen und Monate hinweg terrorisierte die selbst ernannte „Bürgerwehr FTl/360“ Geflüchtete und politische Gegner. Unter anderem verfolgten bekannte Mitglieder dieser Gruppierung mehrere – nennen wir sie mal Antifaschisten, auch wenn ich nicht weiß, ob die Betroffenen sich selbst so bezeichnen, die in einem Auto von Protesten nach Hause unterwegs waren und griffen diese an, indem sie mit einem Baseballschläger auf das Fahrzeug einschlugen.
Die Angelegenheit ist nun vor dem AG Dresden angeklagt, einer der Betroffenen hat sich der Anklage als Nebenkläger angeschlossen – womit wir langsam zum Thema kommen.
Die Nebenklage bietet auch und gerade Betroffenen rechter Gewalt die Möglichkeit, aktiv am Strafprozess teilzunehmen, selbst Beweisanträge zu stellen, so Hintergründe der politischen Motivation der Tat zum Prozessstoff zu machen und nicht zuletzt aus einer eigenen Opferposition herauszukommen.
Ich rate Betroffenen gerne zur Nebenklage. Es stellt sich jedoch oft die Frage, inwiefern es auch ein Sicherheitsrisiko darstellt, sich durch eine solche offene Strategie in den Fokus zu stellen und so wieder oder verstärkt Angriffen durch Neonazis ausgesetzt zu sein. Es geht nicht zuletzt darum, abzuwägen, welche Informationen man Angeklagten preisgeben will.
Oft sind Betroffene nicht in der Lage, die Kosten für die Nebenklagevertretung selbst aufzubringen. In vielen Fällen kann Ihnen dann Prozesskostenhilfe gewährt werden. Dazu muss der Betroffene umfangreiche Angaben über Einkommen, Vermögen, Arbeitgeber, Unterhaltsberechtigte und -verpflichtete, Wohnverhältnisse einschließlich Mietvertrag … – also im Prinzip alles, was z.B. auch ein Jobcenter oder Sozialamt so wissen will – machen.
Bisher habe ich Betroffenen immer versichert, dass diese Informationen – anders als Ihre Angaben in einer polizeilichen Aussage – nicht an die Angeklagten oder Beschuldigten gelangen. Sie werden in einen gesonderten Band der Akte geheftet und diese ist nicht von der Akteneinsicht umfasst.
Nun ist dem AG Dresden offensichtlich ein „Versehen“ unterlaufen. Die Unterlagen zur Prozesskostenhilfe wurden wohl an die Verteidigung weitergegeben. Das Gericht hat sich wohl deswegen entschuldigt.
Das ist mehr als eine Randnotiz wert und ich bin froh, dass die Kollegin Nebenklagevertreterin hier ein Fass aufmacht, indem sie einen Befangenheitsantrag stellte. Wenn ich nicht mehr versichern klann, dass diese Daten vertraulich behandelt werden, werden einige Betroffene sich gegen die Nebenklage entscheiden. Vielleicht auch schon dagegen überhaupt eine Straftat anzuzeigen. Der Staat verliert hier an Vertrauen, für das ich auch nicht werben kann, wenn über diese „Panne“ einfach hinweggegangen wird.
Und noch eines: ich unterstelle dem Gericht keine Absicht. Aber einen leichtfertigen Umgang mit dem Interessen des Nebenklägers, der insoweit nicht verwundert, als die Nebenklage von vielen Richtern nicht gerne gelitten ist. Sie gilt als systemfremd, lästig, unnötig. Zwischen dem staatlichen Strafanspruch und den Beschuldigtenrechten ist kein Platz für weitere Interessen, die die Dinge verkomplizieren. Auch viele Kollegen, die sich lieber Strafverteidiger als Rechtsanwälte für Strafrecht nennen, teilen diese Haltung. Umso mehr ist es wichtig, die Nebenklage zu stärken, denn die Funktion des Strafprzesses ist mehr, als die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches.