+++ Prozess über Versammlungsrecht geht in die zweite Runde +++ Rückenwind für Angeklagten durch neues Urteil +++ Verteidigung fordert Freispruch statt grundgesetzfeindlicher Angriffe auf die Versammlungsfreiheit +++

Das Landgericht Dresden verhandelt am 01.12.2021 über die Strafbarkeit eines Anmelders für seine Versammlung.
Im Juli 2021 verurteilte das Amtsgericht Dresden den Leiter einer Demonstration. Diese richtete sich gegen die Ausweitung polizeilicher Befugnisse durch ein neues sächsisches Polizeigesetz im Jahre 2018. Ihm wurde der Verstoßes gegen § 26 Nr. 2 des Sächsischen Versammlungsgesetzes vorgeworfen.
Auf die Berufung der Verteidigung hin geht der Prozess nunmehr in die zweite Instanz. Am Mittwoch den 01.12.2021 wird das Landgericht Dresden den Fall erneut prüfen. (9:00 Uhr, Saal noch nicht bekannt)

Hintergrund:

Am 17.11.2018 fand eine Demonstration eines breiten Bündnisses gegen das SächsPolG statt, die durch den Angeklagten angemeldet wurde und für welche dieser als Versammlungsleiter auftrat. Die Versammlungsbehörde erließ ohne jede Gefahrenprognose u.a. Auflagen hinsichtlich der maximalen Länge von Seitentransparenten und untersagte das Mitführen von Pyrotechnik. Die Demonstration wurde von etwa 1.500 Menschen getragen. Während dieser wurden 2-3 Rauchtöpfe – wohl zugelassene Bühnenfeuerwerkskörper der Klasse T1 – gezündet. Auch wurde teilweise ein die verfügte Länge übersteigendes seitliches Transparent getragen.

Das Amtsgericht stellte dazu – ohne dass Aussagen der Polizeizeugen diese Annahme stützen konnten – fest, der Angeklagte habe die Aufzugteilnehmer weder aufgefordert, die Transparente nicht seitlich zu führen oder einzurollen, noch das Abbrennen von pyrotechnischen Erzeugnissen zu unterlassen. Stattdessen habe er den Aufzug trotz der ihm bekannten fortwährenden Auflagenverstöße weitergeführt. Ohne weitere Ausführungen folgerte Richter Wirlitsch daraus, der Angeklagte sei als Leiter einer öffentlichen Versammlung Beschränkungen nach § 15 Abs. 1 oder 2 nicht nachgekommen. Urteil als pdf

Dass für die Verteidigung eine solch weite Auslegung des § 26 SächsVersG nicht hinnehmbar ist, liegt auf der Hand. Letztlich würde jeder Auflagenverstoß, der nicht sofort durch die Versammlungsleitung unterbunden werden kann, zu deren Strafbarkeit führen, wenn die Versammlung dann nicht unmittelbar aufgelöst würde.

Das nunmehr für die Berufung zuständige Landgericht Dresden strebte in Verständigungsgesprächen eine Verfahrenseinstellung nach § 153 StPO an. Insbesondere teilt es Auffassung der Verteidigung, die Rechtmäßigkeit der Auflagen müsse geprüft werden. Die Verteidigung lehnte eine Einstellung des Verfahrens ab. Sie strebt unverändert einen Freispruch an. Bei der Anklage handelt es sich aus Sicht der Verteidigung um einen Versuch, ein neues Instrument der Repression gegen Demonstrationen und deren Strukturen zu etablieren. Hier könne es nicht allein darum gehen, das Strafverfahren sanktionsfrei hinter sich zu lassen.

Hinsichtlich der Rechtsmäßigkeit der Auflagen segelt die Verteidigung mit Rückenwind einer neueren Entscheidung des VG Dresden vom 29.07.2021 (Az. 6 K 2180.18). Darin stellt das VG fest, dass die
wortgleiche Auflage hinsichtlich der Seitentransparente bei einer anderen Versammlung rechtswidrig
war, da der Versammlungsbescheid sich auf keinerlei Gefahrenprognose stützte. Eine solche könne
auch nicht später nachgetragen werden. Insoweit ist die Entscheidung auf die hier verhandelte
Versammlung voll übertragbar.