LG Dresden: Ausgangssperre verletzt nicht den Öffentlichkeitsgrundsatz

Mit Beschluss vom 31.03.2020 hat die 16. Strafkammer den Antrag der Verteidigung Rene H.s (FKd IV), die Hauptverhandlung auszusetzen, da der Öffentlichkeit wegen der in Sachsen geltenden Ausgangssperre nicht gewahrt sei, abgelehnt. zur Begründung führt die Kammer aus:

Durch die vom Antragsteller zur Begründung seines Antrages wohl in Bezug genommene
Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen
Zusammenhalt vom 22.03.2020, in Kraft getreten am 23.03.2020, 00.00 Uhr, ist der
Bevölkerung das Verlassen der häuslichen Unterkunft ohne triftigen Grund nicht gestattet.
Der Besuch von Gerichtsverhandlungen als Zuschauer – und damit auch der
Hauptverhandlung im vorliegenden Verfahren – stellt wohl keinen triftigen Grund im Sinne
dieser Allgemeinverfügung dar.

– Soweit es die sogenannte „erweiterte“ oder „mittelbare Öffentlichkeit“ durch
Berichterstattung über die Hauptverhandlung betrifft ist diese durch die o.g.
Allgemeinverfügung nicht beeinträchtigt. Journalisten haben auch unter den Bedingungen
der Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und
Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 22.03.2020 die Möglichkeit Hauptverhandlungen zu
besuchen um über sie zu berichten; sie dürfen dazu ihre häusliche Unterkunft verlassen,
denn die Berichterstattung gehört für sie zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeiten.

– Soweit es die „unmittelbare Öffentlichkeit“ betriff verkennt die Kammer nicht, dass die o.g.
Allgemeinverfügung den Zugang zu Gerichtsverhand-lungen für Zuschauer erheblich
erschwert. Sie stellt jedoch keinen Verstoß gegen die Öffentlichkeitsmaxime i. S. d. §§ 338
Nr. 6 StPO, 169 Abs. 1 S. 1 GVG dar.
Eine Hauptverhandlung ist im in §§ 338 Nr. 6 StPO, 169 Abs. 1 S. 1 GVG geforderten Sinne
dann „öffentlich“, wenn sie in Räumen stattfindet, die während der Dauer der Verhandlung
grundsätzlich jedermann zugänglich sind. Dies ist vorliegend der Fall. Die Protokollantin
hat in der Sitzungspause Rücksprache mit den Wachtmeistern am Eingang zum
Gerichtsgebäude genommen; das Gerichtsgebäude steht Publikums-verkehr offen und es
ist sichergestellt, dass auch Zuschauer das Gerichtsgebäude jederzeit betreten können.
Das Gerichtsgebäude wird – wie auch sonst üblich – bis zum Ende der letzten
Verhandlung am heutigen Tage geöffnet sein.
Weiter werden die §§ 338 Nr. 6 StPO, 169 Abs. 1 S. 1 GVG in fest-stehender
Rechtsprechung dahin verstanden, dass eine Verletzung der Vorschriften über die
Öffentlichkeit und damit ein absoluter Revisionsgrund nur in der gesetzwidrigen
Beschränkung der Öffentlichkeit durch das Gericht oder den Vorsitzenden zu sehen ist.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Weder der Vorsitzende noch die Kammer haben eine
die Öffentlichkeit beschränkende unzulässige Anordnung getroffen.

(16 KLs 373 Js 81/16)