Kein Sex mit Nazis

Medienberichten zu Folge sei der seit September 2017 laufende Prozess gegen sechs mutmaßliche Mitglieder der gewaltaffinen Nazi-Kameradschaft „Freie Kameradschaft Dresden“ gefährdet. Aus Sicht der Nebenklage gilt es daher klarzustellen: Es steht derzeit nicht ernsthaft zu befürchten, dass der Prozess ausgesetzt werden müsste.

Dies wäre allerdings eine Katastrophe. Eine solche Verfahrensverzögerung würde wohl zur Aufhebung der Haftbefehle gegen die sechs Angeklagten führen, die Anklage würde dann ohne besonderes Beschleuigungsgebot als zweites „Kistenverfahren“ neben der Anklage der „Faust des Ostens“ im Archiv der chronisch überlasteten Staatsschutzkammern verschwinden.

Doch so weit sind wir nicht. Was ist passiert.

Entgegen dem bewährten Grundsatz „Kein Sex mit Nazis“ lies sich eine Schöffin im Januar 2015 auf einen One-Night-Stand mit dem als charismatisch beschriebenen mutmaßlichen Anführer der „Freien Kameradschaft Dresden“ ein, also zu einer Zeit, wo diese Gruppe jedenfalls nach Lesart der Generalstaatsanwaltschaft Dresden noch nicht existerte. Nachdem beide eine Nacht miteinander verbrachten tauschten diese der Erklärung der Schöffin zu Folge noch ein paar SMS aus, danach löschte sie den Kontakt.

Als ihr zum Prozessauftakt im September 2017 gewaht wurde, dass sie als Schöffin gegen einen ehemaligen Sexualpartner verhandeln sollte, entscheid sie sich, dies für sich zu behalten. Erst vor etwa zwei Monaten offenbarte sie sich erst dem zweiten Schöffen und auf dessen Anraten dem Ergänzungsrichter, wobei sie sich zuvor Vertraulichkeit zusichern lies. Dieser machte ihr klar, dass sie sich dem Vorsitzenden offenbaren müsse, hielt sich jedoch an die Zusicherung der Vertraulichkeit gebunden, so dass er die Geschichte für sich behielt.

Im August 2018 wurde nach Hinweisen auf eine Kommunikaton des inhaftierten Hauptangeklagten mit sich auf freien Fuß befindlichen Dritten das Tablet beschlagnahmt, dass diesem zur Verfügung stand, um die sinnvoll nur elektronisch lesbare Akte lesen zu können. In einen der zahlreichen Textfragmentstücke, die der Angeklagte fertigte, erwähnte er, dass er mal „was mit der Schöffin hatte“. Nachdem dies der Presse durchgestochen wurde, wurde die Verbindung der Schöffin zu dem Angeklagten bekannt.

Der Vorsitzende forderte sodann alle Richter dazu auf, Stellungnahmen abzugeben, aus denen sich der hier dargestellte Ablauf ergibt, setzte den Verfahrensbeteilgten eine Stellungnahmefrist hierzu bis Freitag 13:00 Uhr und verlegte den auf Freitag 9:00 Uhr geplanten Fortsetzungstermin auf 14:00 Uhr.

Sowohl die Angeklagten als auch die Nebenklage lehnten daraufhin die Schöffin wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Diese kann durch eine Ergänzungsschöffin, die der Verhandlung eben für den Fall des Ausfalls eines Schöffen von Beginn an beiwohnte, ersetzt werden.

Die Verteidigung witterte allerdings – was zu erwarten war – ihre Chance und lehnte daneben auch den zweiten Schöffen, den Ergänzungsrichter und den Vorsitzenden ab. Dies ist nachvollziehbar. Ein weiterer Schöffe könnte nicht ersetzt werden, der Vorsitzende nur durch den Ergänzungsrichter. Häten diese Ablehnungsanträge Erfolg, würde der Prozess platzen und, wenn überhaupt, erst in ferner Zukunft verhandelt werden.

Noch liegen die Ablehnungsanträge nicht vor, Sie scheinen jedoch wenig Substanz zu haben. Nach Presseangaben ist die Ablehnung des Vorsitzenden damit begründet, er habe ein Klima geschaffen, in der sich die Schöffin nicht getraut hätte, sich der Kammer gegenüber zu offenbaren. Aus den dienstlichen Stellungnahmen lässt sich das nicht herleiten, die Schöfin jedenfalls hat sich nicht so geäußert. Wenn da nicht konkrete Anhaltspunkte angeführt werden, sind hier Gründe, die die Besorgnis der Befangenheit fechtfertigen, nicht zu erkennen.

Der zweite Schöffe hat sich so verhalten, wie man es erwarten darf. Er hat der Schöffin geraten, sich Rat bei einem Berufsrichter zu holen. Dass er das, was er im Vertrauen erfahren hat, nicht gegen den Willen der Schöffin der Kammer preisgegeben hat, mag falsch gewesen sein, dass er selbst deshalb nicht mehr unvoreingenommen urteilen könnte, ist nicht zu erkennen.

Insofern wird der Prozess an dieser Stelle nicht platzen. Allerdings: Noch einmal darf so etwas nicht passieren, es darf auch kein Schöffe längerfristig erkranken.