StA Dresden: „Feuer und Flamme den Abschiebebehörden nicht strafbar.

Januar 2016. Die rassische Mobilisierung der Pegida will nicht abreissen. Protest, ob linker oder schlicht bügerlich-demokratischer kaum mehr Wahrnehmbar. Nachdem sich beispielsweise das etablierte Bündnis Dresden-Nazifrei weitgehend aus der Mobilisierung gegen Pegida verabschiedet hatte, verstetigte sich langsam regelmäßiger allmontaglicher Protest unter dem Namen „GEPiIDA“. Die Teilnehmerzahlen waren überschaubar und die Demonstranten schon angesichts des von Pegida und deren Hooligan- und Neonazipublikum ausgehenden Gewalt- und Aggressionspotenzials reichlich in der Defensive.

Regelmäßig musste sich dieser Protest so dann auch von Polizei und Ordnungsamt herumschubsen lassen. Viele kleine Eingriffe, keine starke Struktur, die auf die gerichtliche Klärung verschiedener versammlungsrechtlicher Probleme drängen könnte und die fehlende Macht, Positionen faktisch durchsetzen zu können erschwerten den Protest gegen die „Besorgten“ und umsorgten Rassisten.

04.01.2016Wieder Montag. wieder PEGIDA, wieder viel zu wenige in einem feindlichen Umfeld. Einge dieser wenigen skandierten eine Parole, die schon seit mindestens Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrtausends zum Standardrepertoire antirassistischer Aktionen gehörte: „Solidarität muss Praxis werden, Feuer und Flamme den Abschiebebehörden“.

Unvermittelt griff die Polzei die Versammlung an und Menschen aus dem Demonstrationszug heraus. Sie verlautbarte am späten Abend:

Ab 17.30 Uhr hatten sich unter dem Motto „Kaltland – Wir zeigen Wärme“ Teilnehmer zur Versammlung der GEpIDA am Postplatz eingefunden. Nach einer Auftaktkundgebung führte ein Aufzug ab 18.00 Uhr über die Wilsdruffer Straße zunächst zum Neumarkt. Als dabei mehrere Versammlungsteilnehmer „Feuer und Flamme den Abschiebebehörden“ riefen, leitete die Polizei Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten ein. Einsatzkräfte stellten in dem Zusammenhang die Identitäten von vier Männern im Alter von 16, 20, 23 und 23 Jahren fest.

Da wundert sich der Laie und staunt der Jurist. Wenn das strafbar sein sollte, warum ist hier noch niemand darauf gekommen? Kann man tatsächlich den Slogan so verstehen, dass die Adressaten dazu aufgefordert werden, unmittelbar die nächste mit Abschiebungen befasste Behörde anzuzünden? Nur in diesem Verständnis wäre wohl die Tat, zu der aufgerufen worden wäre, räumlich und zeitlich hinreichend bestimmt. Noch weiter: Muss man den Slogan so verstehen, so dass alle anderen Deutungsmöglichkeiten fernliegend wären, denn nur dann wäre der Eingriff in die Meinungsfreiheit zu rechtfertigen.

Man könnte nun meinen, einzelne Polizeibeamte hätten übereifrig reagiert und der offensichtliche Subsumptionsfehler würde schnell in der Einsatznachbereitung aufgearbeitet. Aber es kam anders.

06.02.2016 Ab und an kann sich antirassistischer Protest in Dresden dank Intervention von außen auch kraftvoll artikulieren. So zum Beispiel am 06.02.2016 bei der Demonstration „Solidarity without limits“. Im Vorfeld erließ die Versammlungsbehörde der Landeshauptstadt – wie üblich – einen Auflagenbescheid, in dem Sie unter anderem auf Folgendes hinwies:

Die Skandierung von Parolen darf nicht gegen die Strafgesetzt oder die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen (darunter würde z.B. die Skandierung der Parole „Feuer und Flamme den Abschiebebehörden“ – öffentliche Aufforderung zu Straftaten gem. § 111 StGB – fallen)

Der Versammlungsleiter, der zur Verlesung der Auflagen gehalten war, nannte sodann den inkriminierten Slogan und moderierte nach Polizriangaben diese dann an. Im weiteren Verlauf dokumentierte die Polizei akribisch, wann der Slogan gerufen wurde und wertete das Videomaterial danach aus. Zugriffe erfolgten jedoch nicht – wie bereits erwähnt war der Protest ja dieses mal nicht in der Defensive.

Gegen den Versammlungsleiter wurde ein Ermittlungsverfahren wegen der Aufforderung zu Straftaten eingeleitet, zahlreiche Zeugen vorgeladen, Videomaterial ausgewertet …

Während also zunächst davon ausgegangen werden konnte, einzelne Polizeibeamte hätten die rechtliche Situation vielleicht falsch eingeschätzt, so wurde nun langsam deutlich, dass die Polizei tatsächlich an der Rechtsauffassung, die antirassistische Traditionsparole sei strafbar, festhielt. Versuche, hierüber eine Klärung herbeizuführen, zeitigten bislang keinen Erfolg.

Nunmehr, also über ein halbes Jahr später erreichte den Anmelder das unscheinbare Schreiben der Staatsanwaltschaft Dresden, das Ermittlungsverfahren sei nach 170 Abs. 2 StPO – also mangels hinreichenden Tatverdachts – eingestellt. Nicht einmal der gem. § 88 RiStBV erforderliche Hinweis, dass sich herausstellte, der Beschuldigte sei unschuldig war enthalten.

Die Begründung fand sich nur in der Ermittlungsakte und lies an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. An und für sich keine juristischen Neuheiten, aber auf Grund der Vorgeschicht doch brisant: