„Stinkefinger“ nicht zwingend strafbar

Durch Beschluss vom 20.12.2019 hob das OLG Dresden die Verurteilung einer Antifaschistin wegen des Vorwurfes der Beleidigung auf. Diese hatte nach den Festsellungen des AG Dresden einen ausgestreckten Mittelfinger gegen einen sie und ihre Genossinnen filmenden Polizeibeamten gerichtet. Das OLG schloss sich damit der Stellungnahme der GenSTA an, die ausführt, dass das Urteil des AG Dresden den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung einer Meinungsäußerung nicht gerecht wird.

Den Ausführungen des Amtsgerichtes kann nicht eindeutig entnommen werden, ob es die Geste der Angeklagten als Schmähkritik gewertet und daher zu Recht von einer Abwägung abgesehen hat. Dagegen spricht, dass das Amtsgericht sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob sich die Angeklagte auf ein berechtigtes Interesse im Sinne von §193 StGB berufen konnte, weil diese Vorschrift in den Fällen der Schmähkritik von vorneherein nicht greift /vgl. Fischer, aaO. § 193 Rn 18).

Hinsichtlich des Erklärungsgehaltes der Geste stellt das Amtsgericht fest, dass die Angeklagte dem Polizeibeamten POM W. bewusst und gewollt den ausgestreckten MIttelfinger ihrer linken Hand zeigte, um ihre Missachtung ihm gegenüber auszudrücken. Es führt dazu aus, dass der erhobene Mittelfinger (Stinkefinger) allgemein als Geste bekannt sei, mit der Geringschätzung und Missachtung zum Ausdruck gebracht werde. Dies erscheint grundsätzlich als eine mögliche Deutung der Geste. Allerdings ist der Rvision zuzugeben, dass auch alternative Deutungsmöglichkeiten dieser Geste in Betracht kommen, die das Amtsgericht nicht berücksichtigt und demnach auch nicht ausschließt. So kann die Geste auch als allgemeine Kritik an dem Polizeieinsatzgemeint sein, der dem Schutz der rechtsgerichteten Demontration dient, was aus Sicht der Angeklagten wohl missbilligenswert ist. Weiterhin kann die Geste auch als Kritik gegen die konkret durch den Polizeibeamten W. ausgeübte polizeiliche Maßnahme gemeint sein, nämlich die Videoaufnahme der Gegendemonstranten, darunter die Angeklagte. Hierfür würde insbesondere auch die Vermummung der Angeklagten in dieser Situation sprechen. Da die Begründung des Urteils nicht erkennen lässt, dass sich das Amtsgericht mit den Alternativen Deutungen der Geste auseinandergesetzt hat, kann die Verurteilung wegen Beleidigung keinen Bestand haben.

Das OLG Dresden hat nunmehr die Sache an eine andere Abteilung des AG Dresden zurückverwiesen.